BRESLAUER PLATZ
Frau Mputu ist nicht mehr da
ERSTELLT 18.12.2015
Plötzlich allein: René Mputu am Breslauer Platz. Foto: Arton Krasniqi
Jahrelang lebte die Frau zusammen mit ihrem Mann am Bussteig am Breslauer Platz. Nun ist René Mputu allein. Seine Partnerin ist plötzlich verstorben. Von Claudia Hauser
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Köln.
René Mputu sitzt auf dem schmutzigen orangefarbenen Plastiksitz an Bussteig 5 am Breslauer Platz– so wie jeden Tag. Seit fast zweieinhalb Jahren. Seine Frau Wanda war immer an seiner Seite. Es war ein stiller Protest gegen den Entzug des Sorgerechts für ihren kleinen Sohn. In dieser Woche ist Wanda Mputu ganz plötzlich gestorben.
Das Ehepaar Mputu saß fast zweieinhalb Jahre auf dem Bussteig 5 am Breslauer Platz. Foto: Arton Krasniqi
„Wir saßen am Abend hier und sie sagte, sie habe Schmerzen“, sagt ihr Mann. „Sie ist aufgestanden und zusammengebrochen, sie sagte: Ich sterbe.“
Er habe sie im Arm gehalten, als sie das Bewusstsein verloren habe. Ein Rettungswagen brachte die 45-Jährige in die Uniklinik. „Sie hat die Augen aber nicht wieder geöffnet“, sagt René Mputu (Namen geändert). Sie starb am Dienstag. Der 53-Jährige weint leise.
Sie haben Stunde um Stunde gesessen
Die Ärzte hätten ihm gesagt, seine Frau sei an einer Lungenembolie gestorben. Möglicherweise eine Folge des ständigen Sitzens. Schon lange passten die Füße seiner Frau kaum noch in ihre Schuhe. „Sie hatte Wasser in den Beinen, sie waren ganz dick.“ Bei einem Arzt waren sie nie.
Nun sitzt er allein am Busbahnhof hinter dem Hauptbahnhof. „Wo soll ich denn sonst hin?“, fragt er. Die Taxifahrer nebenan haben schon vom Tod der Frau gehört. Für sie gehörte das kongolesische Paar längst zum Alltag. „Sie waren ja immer da“, sagt einer der Fahrer. „Wir haben ihnen ein bisschen Geld gegeben oder etwas zu Essen – sie haben mir sehr leid getan.“
Das Vertrauen ist weg
Auch Edeltraud Tajima war oft bei den beiden, die Hilfe vom Sozialamt stets abgelehnt haben. „Arztpraxen, Ämter – die beiden hatten eine wahnsinnige Angst. Sie haben niemandem vertraut, seit ihnen das Kind weggenommen wurde.“
Rene Mputu (r.) und seine Frau am Breslauer Platz im Jahr 2014. Foto: Arton Krasniqi
Die 76-Jährige hat ihnen Schuhe geschenkt, ein paar Kleidungsstücke und Decken. „Es ist eine tragische Geschichte“, sagt sie. Sie streicht über die Hand des Mannes, dem die Tränen über die Wangen laufen. Er möchte jetzt nicht mehr hierbleiben, in Deutschland. „Ich möchte nach Hause – und meine Frau mitnehmen“, sagt er. „Wir haben uns aber gegenseitig versprochen, dass wir nicht ohne unseren Sohn gehen, sollte einem von uns etwas zustoßen.“
Jugendamt und Eltern wurden sich nicht einig
Fünf Jahre ist es her, dass er seinen Sohn das letzte Mal gesehen hat, der inzwischen zwölf Jahre alt ist. Wie das Jugendamt mitteilt, lebt der Junge in einer Pflegefamilie. „Es geht ihm gut“, sagt der stellvertretende Leiter Klaus Völlmecke. Aus Datenschutzgründen möchten sich Stadt und Jugendamt nicht weiter zu dem Fall äußern.
Es habe im Laufe der Zeit aber immer wieder Versuche gegeben, ein Treffen zwischen Eltern und Kind zu arrangieren. Doch das Paar wollte seinen Sohn ausschließlich dort treffen, wo es lebt: An Bussteig 5 – und im Freien.
Sie haben auch Angebote ausgeschlagen, in ein Zimmer zu ziehen. Zu groß war die Angst davor, dass sie auseinander gerissen werden, vielleicht wieder in eine psychiatrische Klinik kommen. So wie damals. „Erst haben sie uns unseren Sohn weggenommen, dann waren wir fünf Wochen in einer Psychiatrie“, erzählt der 53-Jährige.
Das Warten an der Bushaltestelle war ihr Leben
„Wir sind tief betroffen vom Schicksal des Mannes“, sagt Margarete July vom Sozialamt. „Er lebt seit zwölf Jahren in Deutschland, wir kennen ihn schon lange, kannten auch seine Frau. Sie hätten beide Anspruch auf finanzielle Hilfe gehabt, wollten sie aber nicht annehmen.“
Das Paar harrte im Freien aus, bei jedem Unwetter, zwei Winter lang. Das Warten an der Bushaltestelle war ihr Leben. Immer wieder wurden sie bestohlen, während sie auf ihren Stühlen eingenickt waren.
Sollte sich René Mputu dazu entschließen, nach Kinshasa zurückzugehen, könnte er den Leichnam seiner Frau nur mitnehmen, wenn die kongolesische Regierung die Kosten übernimmt. Die Stadt Köln würde die Bestattungskosten bezahlen, dann müsste René Mputu seine Frau allerdings in Köln beerdigen. „Wir würden versuchen, die Beerdigung in seinem Sinne zu regeln“, sagt Margarete July.
Eine Überführung des Leichnams nach Afrika kostet mehrere Tausend Euro. Der Ehemann muss sich in der kommenden Woche entscheiden.
Das alles ist jetzt noch zu viel für René Mputu, der erst sein geliebtes Kind verloren hat, und jetzt seine Frau. Er sitzt einfach da, am Bussteig mit der Nummer 5.
AUTOR
Claudia Hauser
Breslauer Platz: Frau Mputu ist nicht mehr da | Köln - Kölner Stadt-Anzeiger - Lesen Sie mehr auf:
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